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von Enno Bernzen und Klaus H. Feder |
Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. 10. 1990 ergaben sich noch eine Vielzahl von ungeklärten Problemen, die im Einigungsvertrag nicht bis ins letzte Detail festgeschrieben worden sind und deren Lösung auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Zu unterschiedlich hatten sich beide deutsche Staaten in 40 Jahren entwickelt. Rechtlich noch nicht abschließend geklärt ist die Frage des Tragens von in der DDR verliehenen Auszeichnungen im vereinten Deutschland. Es ergeben sich Parallelen zu den im Ordensgesetz von 1957 festgelegten Bestimmungen, die das Tragen von Auszeichnungen der Jahre 1933 bis 1945 regeln. Bund und Länder haben bislang noch keine einheitliche und endgültige Regelung getroffen. | |
Einführung |
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Die Menschen in der DDR
konnten mit einer Vielzahl von Auszeichnungen geehrt werden. So gab es
176 staatliche Auszeichnungen, teilweise mehrstufig, unterteilt in Orden,
Preise, Ehrentitel und Medaillen1. Dazu kamen noch unzählige nichtstaatliche
Auszeichnungen. Wie steht es nun im wiedervereinten Deutschland mit den
rechtlichen Grundlagen - dürfen die Auszeichnungen weiter getragen
werden?
Immerhin soll es ja einige Zeitgenossen geben, die diese noch nicht auf den Flohmarkt oder zum Trödler gebracht haben. In der Anlage I zum Einigungsvertrag heißt es in dessen Kapitel II: Von der Deutschen Demokratischen Republik verliehene Auszeichnungen können weitergeführt oder getragen werden, es sei denn, daß dadurch der ordre public der Bundesrepublik Deutschland verletztwird. Das gleiche gilt für die von der Deutschen Demokratischen Republik zur Annahme genehmigten ausländischen Auszeichnungen2. Diese Fußnote des Einigungsvertrages entspricht allgemeingültigen Regelungen, daß Auszeichnungen untergegangener Staaten oder von untergegangenen Staaten zur Annahme genehmigte Auszeichnungen grundsätzlich weitergetragen werden dürfen. Der Begriff des ordre public ist dem Rechtskreis des internationalen Privatrechts entlehnt. Es handelt sich dabei um eine Vorbehaltsklausel, die dann zum Tragen kommt, wenn ein Sachverhalt nach ausländischem Recht zu beurteilen ist und das Ergebnis in untragbarem Widerspruch zu grundlegenden Rechtsvorstellungen der Bundesrepublik Deutschland gerät. |
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Das Tragen von Auszeichnungen aus den Jahren 1933- 1945 |
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In Deutschland hatte
man sich schon einmal mit der Frage, ob die Auszeichnungen einer untergegangenen
Diktatur weitergetragen werden dürfen oder nicht, zu beschäftigen.
Die §§ 6 und 7 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen
vom 26. 7. 19573 regeln den Umgang mit den Auszeichnungen, die in der Zeit
von 1933 bis 1945 verliehen wurden. In der Bundesrepublik dürfen die
Kriegsauszeichnungen des Zweiten Weltkrieges, Verwundetenabzeichen sowie
Kampf-, Leistungs- und Tätigkeitsabzeichen, allerdings nur in einer
veränderten Form ohne Hakenkreuz, getragen werden. Andere, in der
Zeit von 1933 bis 1945 verliehene Orden und Ehrenzeichen sowie sämtliche
Auszeichnungen der NSDAP und ihrer Organisationen sowie die SS-Dienstauszeichnungen
dürfen nicht getragen werden4. Damit wurdedas Tragen von Auszeichnungen
verboten, die ohne jeden Zweif el Unrecht verherrlichten oder für
Meriten bei verbrecherischen Organisationen verliehen wurden.
Sicher besteht aus heutiger Sicht kein Zweifel daran, daß der Zweite Weltkrieg ein von Deutschland inszenierter, verbrecherischer Angriffskrieg war, der in keiner Phase in irgendeiner Weise zu rechtfertigen ist. Auch der Hinweis, daß der mit den Kriegsauszeichnungen dekorierte Soldat davon überzeugt war, etwas Gutes für Deutschland, seine Heimat, sein Vaterland zu tun, kann nicht von Bedeutung sein. Die Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland gibt den Rahmen für die öffentliche Ordnung5 und stellt in Art. 26 GG mit Verfassungsrang das Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges fest. Dieses Verbot wird strafrechtlich durch die Vorschriften über den Friedensverrat in § 80 und § 80a StGB abgesichert. Vermutlich wäre heute eine Verabschiedung des Ordensgesetzes in der Fassung vom 26. 7. 1957 durch den Deutschen Bundestag nicht mehr möglich.
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DDR-Auszeichnungen und der „ordre public“ |
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Dementsprechend ist auch
der Umgang mit den Auszeichnungen der DDR aus rechtsstaatlicher Sicht nicht
unproblematisch. Sicherlich ist es so, daß einige der DDR-Auszeichnungen
keinen hohen Wert für den Beliehenen hatten, da ihre Verleihung automatisch
erfolgte, z. B. bei den Medaillen für treue Dienste oder bei der Kollektivauszeichnung
,,Kollektiv der sozialistischen Arbeit“. Es gibt aber doch Auszeichnungen,
die mit persönlichem Stolz getragen wurden. Die konkrete Frage ist
nun, welche der vielen in der DDR verliehenen Auszeichnungen widersprechen
dem ordre public der Bundesrepublik Deutschland?
Maßgebend für einen Verstoß gegen den ordre public ist, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und der in ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß es von uns für untragbar gehalten wird6. Konkretisiert wurde dies im Art. 6 EGBGB7: hier wird ein Verstoß gegen den ordre public als eine off ensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts definiert. Das ,,Gesetz über die Stiftung und Verleihung staatlicher Auszeichnungen“ der DDR8 beschreibt in seiner Präambel den Sinn staatlicher Auszeichnungen: Durch die Verleihung staatlicher Auszeichnungen würdigt der sozialistische Staat hervorragende Leistungen und Verdienste bei der allseitigen Stärkung und Festigung der Deutschen Demokratischen Republik. Geht man davon aus, daß die Rechtsordnungen der Bundesrepublik Deutschland und die der DDR nicht übereinstimmten, so wurden nach dieser Definiton Auszeichnungen der DDR für Leistungen verliehen, die der Grundrechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland widersprachen. Demnach müßte generell gesagt werden, daß der ordre public in der Bundesrepublik Deutschland ein Tragen aller Auszeichnungen der DDR und auch des übrigen sozialistischen Blocks nicht gestatte, weil die kommunistische Ideologie und Praxis der Grundrechtsordnung widerspricht.
Es gab in der DDR aber durchaus Auszeichnungen, bei denen ideologische
Überlegungen bei der Verleihung nicht an erster Stelle standen, sondern
die der Betreffende erhielt, weil er seinen staatsbürgerlichen Pflichten
in hervorragender Weise nachgekommen war. Diese staatsbürgerlichen
Pflichten, z. B. einen Menschen aus Todesgefahr zu retten, bei der Bekämpfung
eines Brandes oder einer anderen Katastrophe zu helfen, bestanden in der
DDR ebenso wie überall auf der Welt.
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Einzelfallprüfung vor Trageerlaubnis |
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Aus den Verleihungsbestimmungen
der zahlreichen Orden und Medaillen der DDR läßt sich in der
Regel nicht entnehmen, ob eine Unvereinbarkeit mit dem ordre public vorliegt.
So wurde der 1978 gestiftete ,,Designpreis der DDR“ für ... hervorragende
Leistungen, die als ein wesentlicher Beitrag zur besseren Befriedigung
der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung und
zur Steigerung der volkswirtschaftlichen Effektivität auf den Gebieten
der Gestaltung von Industrieerzeugnissen oder komplexer Umweltbereiche
oder der Förderung und Durchsetzung gestalterischer Aufgaben für
die DDR ... verliehen12. Es ist also stets eine Einzelfallprüfung
notwendig, bei der unter Berücksichtigung der jeweiligen Verleihungsvorschriften
und der Vergabepraxis konkret abzuwägen ist, ob das weitere Tragen
der DDR-Auszeichnungen dem ordre public widersprechen würde.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Waffenschmidt, ergänzt hierzu: Insbesondere ist dabei darauf abzustellen, ob die Auszeichnung für eine konkrete, in keinem Zusammenhang mit dem System der DDR und dessen Erhalt stehende Tat, etwa Hilfeleistung bei einem Brandeinsatz, Lebensrettung, sportliche Leistung, vergeben wurde, ob es sich um eine Medaille handelt, deren Verleihung auch von politischer Loyalität abhängig war, oder ob sie gar für eine Tat verliehen wurde, die aus hiesiger Sicht eine Menschenrechtsverletzung darstellt13. Bei einer für politische Loyalität verliehenen Auszeichnung könnten unter diesem Gesichtspunkt des ordre public ebenfalls Bedenken bestehen. |
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Bestehende Regelungen |
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Mit Ausnahme des Landes
Brandenburg haben die einzelnen Bundesländer für ihren Zuständigkeitsbereich
bisher keine Bestimmungen erlassen, die die Trageerlaubnis regeln 14.
Im Gesetz über die Stiftung des Feuerwehrehrenzeichens des Landes Brandenburg15 wird das Tragen nachstehender Auszeichnungen der DDRgestattet:
Die Bundeswehr hat 1990 in diesem Zusammenhang in einem Fernschreiben an alle Einheiten die vorläufige Anweisung gegeben, die es Soldaten in Uniform, aber auch in Zivil verbietet, Orden, Medaillen oder Abzeichen der DDR in militärischen Anlagen und im Dienst außerhalb militärischer Anlagen zu tragen17. Auch Klassifizierungs- und Fallschirmsprungabzeichen der NVA der DDR dürfen an der Uniform der Bundeswehr nicht getragen werden. Es besteht allerdings die Möglichkeit, nach Anerkennung dazu erbrachter Leistungen (z.B. Fallschirmsprungabzeichen), diese umschreiben zu lassen18. |
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Ausländische Auszeichnungen |
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Ausländische Auszeichnungen, die an ehemalige Angehörige der DDR verliehen wurden, sind von Soldaten der Bundeswehr an das Protokollreferat des Bundesministeriums der Verteidigung gemäß ZDv 20/15, Kapitel 3, zu melden. Dieses prüft dann zusammen mit dem Bundespräsidialamt und dem Auswärtigen Amt, ob diese Auszeichnungen getragen werden dürfen. Zur Zeit erarbeiten das Bundesministerium des Inneren und das Bundesministerium der Verteidigung in Zusammenarbeit mit anderen betroffenen Ressorts eine Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften. | |
Zusammenfassung: |
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