Die
Feuerwehrhistoriker sehen sich des öfteren mit Gründungsjubiläen
von freiwilligen Feuerwehren konfrontiert, die nicht mehr kommentarlos
akzeptiert werden können. Fast in jeder Gemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft
wird intensiv nach den Anfängen der freiwilligen Feuerwehr gesucht,
bekannt sind sogar Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Erstellung von
Chroniken. Leider werden diese Forschungen, vielfach aus Unkenntnis, nicht
mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt und gelegentlich wird
auch über das Ziel hinaus geschossen.
Hier zeigt sich, das es einen dringenden Handlungsbedarf
zur Qualifizierung der Geschichtsschreibung in den Feuerwehren gibt. Den
Autoren dieses Artikels sind aus diesbezüglich geführten Gesprächen
die Probleme bekannt. Mit der Veröftentlichung soll dem mit der Historie
beschäftigten Personenkreis Unterstützung gegeben werden.
Das Feuerlöschwesen ist weitaus älter als der
Begriff Feuerwehr. Laut einem Ägyptischen Papyrus gab es etwa 2000
vor unserer Zeitrechnung bei den alten Römern in der Provinz "Pannonien"
(heute Ungarn) eine "Art" freiwillige Feuerwehr.
Um etwa 500 vor
unserer Zeitrechnung waren wohl "Römische Vigiles" die erste organisierte
Brandschutztruppe und bereits im Jahr 6 wurden in Rom "Feuerlöscheinheiten"
eingerichtet, dennoch feierte die dortige Feuerwehren bisher "kein vierstelliges
Stiftungsfest".
Ausgangspunkt für das organisierte Feuerlöschwesen
in Deutschland sind die Feuerordnungen, in denen mehr oder weniger die
Aufgaben zur Verhütung und zur Bekämpfung von Bränden niedergeschrieben
wurde. Dieser Zeitraum begann mit der Feuerordnung der Stadt Erfurt aus
dem Jahr 1351 und beläuft sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts.
Eine Feuerwehr, wie sie heute existiert, fußt (laut
vfdb) auf den historischen Entwicklungen der Befreiungskriege, der Restauration,
des Vormärz und der 48er Revolution. Sie ist von nationalem und gleichzeitig
demokratischem Gedankengut geprägt, insbesondere von der aus den Stein`schen
Reformen resultierenden kommunalen Selbstverwaltung in Preußen. Ableitend
von diesen Grundsätzen ergibt sich der Zeitraum für mögliche
frühe Feuerwehrgründungen und vor allem deren Vorläufer
von 1820 bis 1850.
Dabei soll nicht
unerwähnt bleiben, daß der Begriff Feuerwehr nach Erkenntnissstand
von 1996 erstmals 1847 in Karlsruhe verwendet wurde.
Organisiertes
Löschwesen
Um Mißverständnissen
vorzubeugen, wird ausdrücklich festgestellt, daß es seit dem
ausgehenden Mittelalter sehr wohl in Deutschland ein organisiertes Löschwesen
gab, was jedoch als genossenschaftliches, den Bürger verpflichtendes
Löschwesen nicht der nachstehend definierten Organisationsform Feuerwehr
entsprach. Vielerorts bestand auch nach einer Feuerwehrgründung zunächst
dieses genossenschaftliche Löschwesen gemäß alter Feuerordnungen
weiter. Gerade die Entwicklung zwischen 1820 und 1850 war fließend.
Neben den noch bestehenden genossenschaftlichen Löschpflichtigen (organisiert
durch Feuerordnungen) bildeten sich Vorläufer wie Rettungsgesellschatten
und Bürgerwehren vor den Feuerwehren einschließlich der Turnerfeuerwehren.
Der Entwicklungssprung
zur Feuerwehr beruht ausschließlich aut neuartiger Organisation bereits
vorhandener Mittel und Personen. Kennzeichnend war eine erhebliche Steigerung
der Wirksamkeit. Erst diese Neuorganisation schuf Feuerwehr als System.
Rettungsgesellschaften
Die Rettungsgesellschaften
(SB) hatten es sich zur Aufgabe gemacht, in erster Linie Mobilar, aber
auch Menschen aus Feuersgefahr zu retten. Sie deckten dabei die Lücken
der alten Feuerordnungen, die im Brandfall hauptsächlich eine Brandausbreitung
verhindern sollten, ab. Die Mitgliedschaft in diesen Gesellschaften war
unbescholtenen Bürgern vorbehalten. Frühe Gründungen sind
schon aus dem 18. Jahrhundert bekannt, anfangs fußten diese Gesellschaften
noch auf dem genossenschaftlichen Prinzip, später galt auch hier demokratisches
Gedankengut in der Organisationsstruktur des Vereins. Aus Rettungsgesellschaften
entwickelten sich im Laute der Zeit auch Feuerlösch- und Rettungsgesellschaften,
die über Lösch- und Rettungsgeräte verfügten und die
Menschenrettung zu ihrer Primäraufgabe machten. Soweit eine solche
Gesellschatt den Kern einer späteren Feuerwehr bildete, gilt sie als
echter Vorläufer dieser Wehr. Historische Tatsache ist, daß
diese Rettungsgesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
in erster Linie durch Gründungen von Feuervvehren um ihre Aufgabe
gebracht, von der Bildfläche verschwanden.
Bürgerwehren
Als vaterländische
Volksmiliz waren die Bürgerwehren Ergebnis der Befreiungskriege. In
der Zeit des Vormärz (1815-1848) standen diese vorwiegend privaten
vereinsrechtlichen Gesellschaften vor ihrer Auflösung. Auf der Suche
nach neuen Aufgaben wurde vor allem in Süddeutschland der Löschund
Rettungsdienst ein bevorzugtes Betätigungsfeld. Auch hier kann in
einem solchen Fall bei lJberleitung der Bürgerwehr in eine Feuerwehr
von einem Vorläufer gesprochen werden.
Turnerfeuerwehren
Als Folge
der politischen Entwicklungen entstanden in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts
allerorten auch Turnvereine (SB), die immer das Ideal der deutschen Einheit
anstrebten und dabei oft auch radikal demokratische und republikanische
Ideen verwirklichen woliten.
In den 40er Jahren
begannen Gruppierungen innerhalb dieser Turnvereine, sich mit den Techniken
des Leitersteigens und dem Bedienen von Feuerspritzen vertraut zu machen.
Das Ergebnis dieser Entwicklung war ein regelmäßiger Übungsdienst,
der zur Perfektion führte. Es erscheint so, als daß von diesen
Gruppierungen erstmals die Wichtigkeit des ständigen Übens erkannt
wurde. Das war ein wesentlicher Unterschied zu den in dieser Zeit noch
bestehenden genossenschaftlichen Löschdiensten.
Es ist belegt, daß
"Turnerfeuerwehren" in vielen Orten die Gründung von Feuerwehren als
solche maßgeblich beeinflußt haben bzw. über längere
Zeit Alternative zum genossenschaftlichen Löschwesen waren. Der Einfluß
der Turner ist in den meisten Fällen dadurch belegt, daß die
sogenannte Steiger bzw. "Steiger- und Retterkompanien" aus den Turnvereinen
der Feuerwehr beitraten oder diesen Teilbereich unmittelbar als Turnverein
übernahmen. Aus diesen Erkenntnissen ist eine enge Verflechtung zwischen
Turnern und Feuerwehr belegt, die Ermittlung von Gründungsdaten dürfte
in Fällen dieses Zusammenhanges schwierig sein, da die Turnvereine
in der Regel älter als die Feuerwehren sind und sich meist mit der
Gründung einer Feuerwehr, an der sie selbst beteiligt waren, nicht
selbst autgelöst haben. In einem solchen Fall wäre der Turnverein
zwar "Geburtshelfer", aber nicht Turnerfeuerwehr. Sofern sich jedoch aus
der Keimzelle im Turnverein eine Turnerfeuerwehr "abgenabelt" hätte,
wäre sie als echte Feuerwehr anzusehen.
Einfluß
des französischen Feuerlöschwesens
In der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das französische
Feuerwehrwesen sehr rasant und erreichte einen hohen Standard, der für
die anderen europäischen Länder über mehrere Jahrzehnte
hinweg beispielhaft und richtungweisend war. Neben dem 1811 auf Befehl
Napoleons 1. militärisch reorganisierten Pariser SapeurPompier-Bataillon,
das 1821 in die französische Armee eingegliedert wurde, entstanden
in den Städten bezahlte Municipial-Sapeur-Pompier-Corps und wurden
weiterhin ab 1831 in fast allen Gemeinden Sapeur-Pompier-Abteilungen als
selbständige Waffengattung innerhalb der Nationalgarde aufgestellt.
Die Gründerväter der südwestdeutschen Feuerwehren verfolgten
das französische Feuerlöschwesen mit großem Interesse und
übernahmen eine Reihe der dortigen Regelungen für die Organisation,
die Ausrüstung und die Ausbildung ihrer "Pompier-Corps".
Begriffe:
-
Feuerwehr
Neben der allgemein
gültigen Definition gemäß DIN 14011 Teil 9, wird aus historischer
Sicht der Begriff wie folgt definiert:
Feuerwehr
ist eine Ausrüstungs-, Ausbildungs- und Führungssystem das durch
Zusammenwirken zum sofortigen Einsatz befähigt. Eine Feuerwehr ist
durch geordnete, ruhige, überall am richtigen Ort angreifende, eingeübte
Tätigkeit gezeichnet. Die Art der Mannschaftsgewinnung einer Feuerwehr
ist von untergeordneter Bedeutung. Lediglich für den Status bei der
Gründung spielt die Art der Mannschaftsgewinnung eine Rolle und führt
zu den Unterscheidungen nach Freiwilliger-, Berufs- oder Pflichtfeuerwehr.
Freiwillige- oder Berufsfeuerwehren sind nie genossenschaftlich, Pflichtfeuerwehren
üblicherweise genossenschaftlich organisiert.
-
ständige Wache
Wohngebäude
mit Gewerberäumen und Feuerwehrgerät
rücken gegen
Einsatzentgeld aus
-
städtische Feuerwehr
berufliche Angehörige
gemeindlicher Einrichtungen
wohnen in Wachgebäuden
und rücken bei Weiterzahlung des Lohns aus
-
Berufsfeuerwehr mit Nebenbetrieb
Neben der Feuerwehraufgabe
andere Tätigkeiten für die Gemeinde
Feuerwehrbeamte
-
Feuerlöschpolizei
Unterstellung
unter den Bürgermeister als Ortspolizeiverwalter
Bewahren der Eigenständigkeit
-
Feuerschutzpolizei
Regelung durch
das Reich
Eingliederung in
die Polizei
Aber: Personal und
Ausrüstung durch die Gemeinde gestellt
-
Freiwillige Feuerwehren mit hauptamtlichen Kräften
keine Anerkennung
als Berufsfeuerwehr
-
Kreislöschbereitschaften und Kommandos Feuerwehr
staatliche Einrichtungen,
nicht der Gemeinde unterstellt
Funktionskriterien
für die Existens einer Feuerwehr
unabdingbare
Kriterien:
1. -
gesicherte und schnelle Alarmierung der Löschkräfte
2. - unverzügliches
Abrücken der Löschkräfte zur Einsatzstelle
3. - tatkräftiges
Wirken einer einsatzwilligen und eingeübten Mannschaft
4. - Einsatz
aller Löschkräfte unter einheitlicher Führung
5. - zweckmäßige
Ausrüstung
6. - Sicherstellung
der ständigen Einsatzbereitschaft,
der gesamten Ausrüstung,
vor allem der Feuerspritzen durch ständige Instandhaltung
7. - Gründungsakt
8. - Statuten,
Organisationsregeln nach Innen
( Übungsvorschriften und Aufgabenzuweisungen )
Weitere
Kriterien können sein:
1. - Organisierte
und schnelle Brandmeldung
2. - Arbeitsteilige
Aufbauorganisation in beispielsweise:
Spritzenmannschaften,
Löschmannschaften,
Pumpenmannschaften,
Steigermannschaften,
Rettungsmannschaften
und
Sicherungsmannschaften.
3. - Gliederung in
taktische Einheiten wie beispielsweise:
Rotte,
Sektion oder
Zug,
Division,
Kampanie,
Abteilung oder
Bataillon.
4. - Sicherstellung
der Löschwasserversorgung
war meist schon vorhanden bzw. wurden aus Anlaß
der Gründung einer Feuerwehr geschaffen.
5. - Die Beschaffung
von Feuerlöschgeräten und
6. - Der Bau
von Spritzen- und Gerätehäusern oder
die Nutzung anderer Gebäude als Unterstellmöglichkeit.
Die Erfüllung dieser
Kriterien war für das Erreichen des Systems Feuerwehr wünschenswert,
aber nicht unbedingt nötig, laut (vfdb). Deshalb sind sie auch nicht
zur Unterscheidung von Vorläufereinrichtungen und Feuerwehren geeignet.
Die
Feststellung des Status bei der Gründung der Feuerwehr ( Freiwillige
Feuerwehr, Berufsfeuerwehr oder Pflichtfeuerwehr ) leitet sich aus der
Art der Mannschaftsgewinnung ab.
Die o.g. Hinweise können zumindest auch zum Nachweis
des Bestehens einer Feuerwehr zu einem bestimmten Zeitpunkt genutzt werden,
falls ein konkretes Gründungsdatum nicht oder gegenwärtig nicht
ermittelt werden kann.
Altersbestimmung
Bei der Feststellung
des Alters müssen zwei Gesichtspunkte berücksichtigt werden:
1. -
Das Gründungsdatum einer nach o.g. Kriterien
eingerichteten Feuerwehr ist zu ermitteln.
2. - Das Bestehen
seit Gründung nach o.g. Kriterien und
das kontinuierliche, ununterbrochene Fortbestehen als
Feuerwehr bis heute bzw. bis zur Auflösung ist nachzuweisen.
Kurzzeitige unbeabsichtigte
Unterbrechung durch Revolution oder Krieg sollen außer Betracht bleiben.
Ein Wechsel der Organisationsform ( Freiwillige Feuerwehr wird Pflichtfeuerwehr
) ist dabei unerheblich. Anders hingegen ist es, wenn die Dauer der bestehenden
Organisationsform ( z.B. Freiwillige Feuerwehr ) ermittelt werden soll.
In diesem Fall sollten andere Organisationsformen ( z.B. Pflichtfeuerwehr
) nicht einbezogen werden.
Quellen
Jungs
Jahrbücher |
(
seit 1871 ) |
Rohrlacks
Liste |
1897 |
Brockhaus |
1898 |
Rang-
und Quartierlisten |
1897
- 1914 |
Taschenbücher
des RDF |
1926
- 1944 |
Raues
Taschenbuchreihe |
1949
- 1960 |
AGBF
- Broschüren |
1990
1992
1994 |
|