Vom Sprungtuch zum Sprungkissen
Die historische Entwicklung der Sprungrettungsgeräte


Als am 4. 3. 1878 in Wien am Tabor Prager Reichsstrasse 155 ausgehend von einem Tanzsaal ein Großbrand ausbrach, wurde nachweislich das damals einzige Sprungtuch in Stellung gebracht.
Im Wiener Extrablatt vom 5. 3. 1878 war der Einsatz des Gerätes und die damit verbundene Menschenrettung zu sehen. Leider gab es trotzdem 64 Verletzte und 3 Tote zu verzeichnen. Der wohl spektakulärste Brand des ausgehenden 19. Jahrhunderts brachte wieder die Verwendung des Sprungtuches. Mit ihm wurden beim Brand des Wiener Ringtheaters am 8. Dezember 1881 130 Personen vom Balkon des Gebäudes gerettet. Die Ursachen des Brandes und die darauffolgenden Massnahmen wurden oft beschrieben und sind hinlänglich bekannt. Von Interesse ist, dass beim nachfolgenden Prozess und der Schilderung des Geschehens durch den verantwortlichen Exerziermeister Leonhard Heer im Jahre 1882 das Ausland auf dieses Rettungsgerät aufmerksam wurde. Es kamen viele Anfragen bezüglich seines Aussehens und und der genauen Art seines Einsatzes.

Das „Wiener Sprungtuch“

Zum Aufklappen waren nur eine Charge und vier Mann erforderlich. Das aus Segelleinen bestehende Tuch war quadratisch und hatte 44 Haltegriffe. Zum Sprung bereitgehalten wurde es durch Hochheben in Schulterhöhe, über die rechte Schulter gespannt, das Gesicht vom Gerät abgewandt und den linken Fuss vorgestellt. Es waren für Sprünge vom 1.Stock 20 Mann, vom 2.Stock 30 Mann und vom 3.Stock 40 Mann zum Halten erforderlich.,
Personalintensiv: Sprungtuch in „Mariahilf“ 1922

Das „Essener Sprungtuch“

Es hatte ein Gewicht von 30 kg , war ebenalls aus Segelleinen und wurde von einem Mann zur Verwendungstelle getragen. War es anfänglich von einer Charge und 6 Mannhergerichtet worden, man sprach von „Der Aufstellung der Partie“, waren es später, bis zum Ende seiner Verwendung 1 Gruppenkommandant und 4 Mann.
Das Sprungtuch war auf Tankspritzen bzw. -wagen, Pumpenwagen (nicht auf allen, Type 15 und 25 hatten keines), Rüstwagen und danach nach Umbenennung der Geräte auf Fahrzeugen verpackt. Das hufeisenförmige Sprungtuch hatte einen Durchmesser von 3,30 m 18 Handhaben aus Eisenrohren, umwickelt und mit Hanfgurten in der Mitte versehen. Es musste von 18 bis 36 Mann je nach Fallhöhe der springenden Person gehalten werden. Der Unterschied zum alten Sprungtuch bestand darin, das man mit dem Gesicht zur Tuchmitte stand. Gehalten wurde mit beiden Händen, Ellbogen frei nach hinten, ein Fuss vorgestellt.
Diese Sprungtücher sollten, ausgenommen zum Retten von eigengefährdeten Personen für höhere Stockwerke als das zweite nicht verwendet werden.
Verletzungsgefahr für die Haltemannschaft durch fallende Körper bestand bis zur Einführung des Sprungbalges. Ab da konnte die Mannschaft im Moment des Sprunges vom Gerät zurücktreten.
In jedem Rüstwagen der Wiener Berufsfeuerwehr wurde früher auch ein „Rettungsschlauch“ mitgeführt. Dieser 25m lange Schlauch aus Segelleinen mit 1m Breite, wurde mittels zweier Leinen in das jeweilige Stockwerk aufgezogen. Dort fixierte man ihn in Höhe des Fensterbrettes mit einem Querriegel aus Holz. Ein vertikal freistehender aufgesetzter Rahmen ermöglichte das Einsteigen in das Gerät. Zum Exerzieren mit dem Rettungsschlauch waren eine Charge und 6 Mann erforderlich. 4 Mann spannten das fertige Gerät vom Gebäude weg um das schräge Abgleiten zu ermöglichen. In engen Höfen oder bei ungünstigen Verhältnissen, konnte man den Rettungsschlauch auch am Gebäude entlangführen. Er wurde dabei vier- bis achtmal spiralförmig zusammengedreht und zwar pro Stockwerk 3 Windungen. Durch langsames Aufdrehen dieser Windungen ermöglichte man den Personen ein langsames Abgleiten zum Erdboden.

Das Rutschtuch“

Eingeführt am 23.6.1882 wurde ebenfalls am Rüstwagen mitgeführt und so wie der Rettungsschlauch zur Verwendung gebracht. Die Montage erfolgte ähnlich unter Verwendung zweier 2m langer Lederriemen. Dieses 30m lange Gerät aus Segelleinen war in seiner gesamten Länge in der Mitte mit einem 1m breiten Leinenstreifen verstärkt. (Aufsprung- bzw. Rutschzone) Durch einseitige Verkürzung konte es auch nahe am Gebäude geführt werden. Im zweiten Weltkrieg gerieten viele Geräte in Verlust und so besass die Wr. Berufsfeuerwehr 1952 nur noch 8 Rutschtücher und 12 Sprungtücher. Von der Fa. Petersen wurden 1953 deshalb 20 Sprungtücher und 1958 3 Rutschtücher angeliefert. Das Rutschtuch fand bis in die späten 60er Jahre Verwendung im Einsatz. Bei Vorführungen am Wiener Rathaus wurde es zur Sicherung bei der „Selbstrettung“ noch einige Jahre länger verwendet. Die letzten Überprüfungsdaten stammen aus dem Jahr 1970.

Das Sprungtuch „amerikanische Art“ mit Hülle, war vorerst Ende der 50er Jahre nur am Kommandantenwagen, später Rüstwagen, verpackt und hatte ein Gewicht von 71 kg. Das Traggestell 2,14m lang aus Rundeisen hatte 20kg Aufgrund dieser Verpackungslänge konnte es im Kdwg nur von hinten zwischen den Sitzen der 4-Mann Besatzung eingeschoben werden. In Stellung gebracht wurde es von 1 GK und 4 Mann. Gehalten bei Sprüngen aus dem 1. Stock von 12 bis 14 Mann, ab dem 2. Stock von 28 Mann. Wie die meisten Sprungrettungsgeräte wurde auch dieses mit einem 80kg Sandsack jährlich erprobt und überprüft. Grosses Augenmerk wurde auf die an der Unterseite befindlichen 38 Federstangen (Stossfänger), die vier Gelenke, das Gummihandschutzmaterial und die Schutzmatte gelegt.
Dieses Erzeugnis der Fa. Atlas Safety war trotz mancher Schwierigkeiten, geringfügige Quetschungen beim Instellungbringen, das heisst beim Aufklappen der 4 Segmente bis zu einem Kreisdurchmesser von 3m, bis ca. 1971 in Verwendung.

Übung mit Sprungtuch 
vor der Zentralfeuerwache um 1950
 

Der „Sprungbalg“

1973 eingeführt, ist aus reissfestem Kunststoffgewebe, hat eine Aufsprungfläche von 10m2 und beruht auf dem Prinzip eines Luftpolsters. Dieser entsteht indem man an den 6-Handhaben den Balg hochzieht und gleichzeitig das Gerät an den 6 Fusslaschen anspannt. Es strömt Luft ein, die an der Bodenfläche befindlichen Ventilklappen verhindern das Ausströmen derselben. So bildet sich ein ca. 1,3m hoher „Polster“ auf den gesprungen werden kann.


Sprung in ein Sprungtuch

Der „Sprungretter“

seit 1977 bei der Wr.Berufsfeuerwehr in Verwendung war bis 1995 in einem Metallbehälter auf einigen Drehleitern verpackt. Seit ca. 5 Jahren werden zwei Geräte plus Zusatzinventar in einem Anhänger an Löschfahrzeugen mitgeführt. Zum Aufstellen des Gerätes benötigt man zwei Löschgruppen. In den Sprungretter wird mittels zweier Ventilatoren Luft eingepresst bis dieser eine Höhe von ca. 2,5m aufweist und somit für den Sprung tauglich ist. Das Gewicht des Gerätes beträgt mit Verpackung ungefähr 120 kg. Die gesamte Aufsprungfläche ist 41,2 m2.
Beim Auftreffen eines Körpers auf das Gerät entweicht im oberen Teil durch seitliche Schlitze ein Teil der komprimierten Luft. Dadurch wird ein Trampolineffekt verhindert und gleichzeitig der Aufprall gemildert. In rascher Reihenfolge können so mehrere Personen von exponierter Stelle in Sicherheit gebracht werden.

Das „Sprungkissen“

Seit März 1995 bei der Wr.Berufsfeuerwehr in Verwendung hat eine Aufsprungfläche von ca. 12m2. Im befüllten Zustand eine Höhe von 1,8m. Es kann innerhalb von nur 30 Sekunden von 2 Mann in Stellung gebracht werden. Durch das Befüllen des Stützrahmens unter zuhilfenahme einer Pressluftflasche richtet sich das Sprungkissen auf und ist einsatzbereit. Im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte ist die Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Sprungrettungsgeräte so weit fortgeschritten, dass den Feuerwehren die Möglichkeit geboten wird noch rascher Rettungsmassnahmen durchführen zu können. Gleichzeitig wurde das Gefahrenpotential für die Rettungsmannschaft wesentlich verringert.


Modernes Sprungkissen in einsatzbereitem Zustand
Heinrich Krenn
Kustos des Wr.Feuerwehrmuseums

An dieser Stelle ein großes Dankeschön an die Feuerwehr der Stadt Wien.
Quelle: © http://www.firefighter.at/